Von Yosi Wanunu
Inspiriert von Eugène Ionescos Die Stühle
Eine Produktion von LizArt Productions in Kooperation mit Theater am Werk
Inhalt
„Wir hatten andere Möglichkeiten, haben uns aber dafür entschieden, unser Leben in einem Stuhl zu verbringen. Als Gott uns sah, sprach er: Ich will nicht, dass diese Frauen hart arbeiten und vom Gehen müde werden. Ich will, dass diese Frauen wie Fabergé-Eier herumgetragen werden.“
Zwei Frauen vertreiben sich die Zeit auf einer verlassenen Bühne mit privaten Spielen und dem Erzählen von Geschichten, an die sie sich nur halb erinnern. Sie treiben in ihrer eigenen Welt umher und beschließen, ihre Weisheiten einem lebenslangen Freundeskreis mitzuteilen, während sie hektisch ihre Rollstühle über die leere Bühne schieben.
Bald wird das Publikum verstehen, dass die Frauen eine lose Version von Eugène Ionescos Stück „Die Stühle“ aufführen. Ihre Version ist eine Hommage an Ionescos erklärte Quellen für seine Ästhetik – Chaplin, die Marx Brothers, Buster Keaton, Laurel und Hardy, alte Zeichentrickfilme. In Ionescos Stück sind alle eingeladenen Gäste imaginär, in ihrer Version jedoch sind alle Gäste real.
Wie in einem alten Varieté-Theater ist der einzige Zweck dieser Gäste, die beiden Frauen zu unterhalten oder ihnen als Publikum zu dienen.
In Die Rollstühle wird die Absurdität der Sprache um die Absurdität der Körpersprache erweitert, die sich in behinderten Körpern, die sich in allen Körpern, die in Rollstühlen sitzen, manifestiert. Wie kommunizieren wir die Andersheit unserer Körper, unserer Bewegungen, unserer körperlichen Äußerungen?
Inszenierung und Text
Yosi Wanunu
Bühne
Paul Horn
Sound
Michael Strohmann
Maske
Marietta Dang
Produktion
Kornelia Kilga
Mit
Vladimir Cabak
Romina Kolb
Elisabeth Löffler
Cornelia Scheuer
Florian-Raphael Schwarz
Regieassistenz
Charlotte Zorell
Übersetzung ins Deutsche
Friederike Kulcsar

Rollstühle im Theater am Werk: Ein was wäre wenn Spiel über das Leben.
Aus Ionescos Die Stühle wird im Theater am Werk Rollstühle (von Susanne Zobl).
In seinem Stück Die Stühle 1952 erzählt Eugene Ionesco von einem Paar. Beide sind Mitte 90, leben abgeschieden in einem Turm und wissen nicht, ob es außer ihnen noch Menschen gibt. Um ihre Einsamkeit zu verdrängen, tun sie so, als würden sie Gäste einladen.
Yosi Wanunu hat Ionescos Stück für Elisabeth Löffler und Cornelia Scheuer, die sich zum Schauspielduo Lizart formiert haben, zu Rollstühle umgeschrieben. Beide sind selbst Rollstuhlbenutzerinnen. Leben und Kunst verschmelzen auf der leeren Bühne des Kabelwerks.
Jede von ihnen trägt einen Knickerbocker Anzug, wie das in den 1920er Jahren üblich war. Man könnte diesen beiden stundenlang zuhören, wenn sie in einer Art Beckett’schen Dialog über die Langeweile, dass Warten auf Gäste und ihren Zustand sinnieren. Ein was wäre wenn Spiel soll ihnen die öde Zeit vertreiben. Das wird zum Programm des Stücks. Rollstühle werden auf die Bühne geschoben. Sie sind für Gäste, die sich die beiden wie bei Ionesco zunächst nur vorstellen. Aber dann bekommen sie wirklich Besuch. Nach und nach werden alle um Publikum aufgefordert, Gast zu spielen und auf einem Rollstuhl Platz zu nehmen.
Am Ende werden die Seiten gewechselt. Jetzt sehen beide Darstellerinnen den anderen zu, wie sie im Rollstuhl sitzen. Wenn im Theater das Publikum ins Geschehen miteinbezogen wird, stört das meistens. Hier ist es Konzept und funktioniert.
Die eindrucksvolle Performance von Löffler und Scheuer ergänzen Vladimir Cabak als Sänger, Romina Kolb als expressive Tänzerin und Florian-Raphael Schwarz. Viel Applaus für diese denkwürdige Produktion.
KRITIK KURIER 1.2.24